Viele Zahnärzte wollen nach dem Verkauf ihrer Praxis dort noch halbtags als angestellte Zahnärzte weiterarbeiten. Warum es aus steuerlichen Gründen schlau ist, in den Kaufverhandlungen den Praxispreis eher höher und dafür das spätere Gehalt niedriger zu vereinbaren, zeigt folgender Fall aus der Praxis.
Altersbedingt verkaufte Dr. Dent seine Praxis an die junge Kollegin Dr. Jung. Sie ist froh, dass er jetzt noch weiter halbtags in der Praxis arbeitet. „Freiberuflich“ ist dies schon aus steuerlichen Gründen nicht mehr möglich. Warum? Dr. Dent war mit 65 Jahren berechtigt, den Gewinn aus dem Praxisverkauf begünstigt zu versteuern. Er kam in den Genuss eines steuerlichen Freibetrages (Paragraf 16 (4) Einkommensteuergesetz – EStG) und eines niedrigeren Steuersatzes (Paragraf 34 (3) EStG).
Jetzt ist er Arbeitnehmer mit einem Bruttogehalt von 3.333 Euro monatlich. Er bezieht von seinem Versorgungswerk eine monatliche Altersrente. Doch eine Sache hatten weder Dr. Dent noch Dr. Jung auf dem Schirm: Von dem Angestelltengehalt werden nicht nur Lohnsteuer, sondern auch Sozialabgaben abgezogen. Zu den Sozialabgaben muss Dr. Jung einen Arbeitgeberanteil abführen.
Rentenversicherung
Der künftig angestellt arbeitende Abgeber Dr. Dent wird steuerlich als „Altersrentner“ anerkannt. Er muss also keinen Beitrag mehr zur Rentenversicherung (RV) zahlen. Wäre dies nicht der Fall, müsste er seinen Arbeitnehmeranteil zur RV abführen.
Dr. Jung, die Übernehmerin, muss jedoch als Arbeitgeberin gemäß Paragraf 172 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Hälfte des Beitrages in beiden Fällen(!) zahlen. Die Versicherungsfreiheit kann also nur vom Arbeitnehmer, nicht vom Arbeitgeber erlangt werden.
Kranken- und Pflegeversicherung
Dr. Dent ist und bleibt privat krankenversichert. Als Arbeitgeberin muss Dr. Jung ihm den gesetzlich vorgeschriebenen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung bezahlen. Dieser beträgt die Hälfte seines Krankenversicherungsbeitrages, maximal jedoch 367,97 Euro für die Kranken- und 71,48 Euro für die Pflegeversicherung (beispielsweise 48,05 Euro in Sachsen).
Arbeitslosenversicherung
Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zahlen laut Deutscher Rentenversicherung (DRV) in diesem Zweig der Sozialversicherung Dr. Dent und Dr. Jung den jeweils aktuell gültigen Beitragssatz je zur Hälfte. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze zahlt dann nur noch Dr. Jung den Arbeitgeberanteil.
Umlagen
Zusätzlich zu den oben genannten Beiträgen muss Dr. Jung auch noch die sogenannten Umlagen (1, 2 und Insolvenzgeld) für Dr. Dent abführen. Diese werden meist an die größte Krankenkasse abgeführt und richten sich nach dem aktuell gültigen Satz der Krankenkasse.
Das Ende vom Lied im konkreten Fall: Da Dr. Dent die Altersgrenze seines Versorgungswerks erreicht hat, verbleiben ihm vom Bruttogehalt von 3.333 Euro tatsächlich 2.899,79 Euro/Monat. Wäre er nicht „Altersrentner“ mit sozialversicherungsrechtlichem Status, würde weniger übrig bleiben, da er auch noch RV zahlen müsste. Für Dr. Jung ergeben sich zusätzlich zum Bruttogehalt Kosten von 592,17 Euro/Monat. Eine gewaltige Differenz, wie die beiden nachfolgenden Tabellen 1 und 2 zeigen.
Fazit
Aus rein steuerlicher Sicht wäre es für beide Seiten sicher besser gewesen, wenn sie im Vorfeld einen höheren Kaufpreis für die Praxis und ein niedrigeres Gehalt für Dr. Dent – selbstverständlich im angemessenen Rahmen – vereinbart hätten.
Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff, Köln
Erstveröffentlichung in Quintessenz Zahnmedizin, Ausgabe 5/2021
Professor Dr. Johannes Georg Bischoff ist seit 1985 geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Kanzleigruppe Prof. Dr. Bischoff & Partner® mit Sitz in Köln, Chemnitz und Berlin. Weitere Meeting-Points befinden sich in Mannheim, Hamburg und Frankfurt. Mit rund 120 Mitarbeitern betreut die Kanzleigruppe bundesweit mehr als 1.000 Zahnärzte, Ärzte und mittelständische Unternehmen in steuerlichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Belangen. Zusammen mit Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern und BWL-Studierenden der Bergischen Universität Wuppertal entwickelte Professor Dr. Bischoff ein Steuerungsinstrument für Zahnarzt- und Arztpraxen. PraxisNavigation® ist mittlerweile in Hunderten von Praxen etabliert und wird Mandanten kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Prof. Dr. Bischoff veröffentlicht regelmäßig in der dentalen Fachpresse und bis heute besuchten mehr als 12.000 niedergelassene Zahnärzte seine Seminare zum Thema „Moderne Praxissteuerung“. Der in Ludwigshafen geborene Steuerberater lebt mit seiner Familie in Bergisch Gladbach und hat zwei Töchter und zwei Söhne.