PraxisDOI: 10.53180/dzz.2022.0028Seiten: 346-352, Sprache: DeutschMirzakhanian, Christine / Esken, Joachim / Schlegel, Magdalena / Heydecke, GuidoFallberichtEinleitung: Bei der Implantattherapie des zahnlosen Unterkiefers wird die Entscheidung über die Implantatposition häufig von der Notwendigkeit eines Knochenaufbaus im Molarenbereich bestimmt. Die Knochenaugmentation erfordert einen zusätzlichen chirurgischen Eingriff und ist daher mit höheren Risiken und Kosten verbunden. Darüber hinaus sind die Modalitäten einer prothetischen Behandlung – festsitzender oder herausnehmbarer Zahnersatz – von der Implantatposition abhängig. In der Regel wird die Entscheidung zugunsten niedrigerer Kosten, geringerer Risiken und höheren Patientenkomforts getroffen, was häufig zur Wahl interforaminaler Implantate und herausnehmbarer Deckprothesen führt. Extra kurze Implantate ermöglichen festsitzende implantatgetragene Brücken im zahnlosen Unterkiefer. Außerdem ist bei Patienten mit fortgeschrittenem Knochenabbau keine komplexe Vorbehandlung mit einem Knochenaufbau erforderlich.
Material und Methoden: In diesem Fallbericht wird das Behandlungsprotokoll für eine festsitzende implantatgetragene Brücke im zahnlosen Unterkiefer anhand eines Patientenfalls beschrieben. Die Implantattherapie wurde ohne vorherige Knochenaugmentation durchgeführt. Stattdessen wurden 4 mm kurze Implantate im Molarenbereich und 10 mm lange Implantate im Eckzahnbereich mit Durchmessern von 4,1 mm inseriert. Nach gedeckter Einheilung und Freilegung der Implantate in einem zweiten chirurgischen Eingriff wurden individualisierte Titanabutments eingebracht und eine festsitzende Brücke mit einem CAD/CAM-gefertigten Gerüst und einer keramischen Vollverblendung zementiert.
Ergebnisse: Das beschriebene Behandlungsprotokoll mit Insertion von extrakurzen Implantaten im Molarenbereich und regulär langen Implantaten im Eckzahnbereich und einer festsitzenden Brücke führte zu einer vollständigen Rehabilitation der Kaufunktion im zahnlosen Unterkiefer. Aus Patientensicht ist das Behandlungsergebnis vergleichbar mit den eigenen Zähnen und führt somit zu einer Verbesserung der Lebensqualität.
Schlussfolgerung: Die Möglichkeit ohne vorherige Knochenaugmentation Implantate zu inserieren ermöglicht eine unkompliziertere Behandlung und eine deutliche Verkürzung der Behandlungszeit. Darüber hinaus kann eine Mehrzahl an Patienten mit fortgeschrittenem Knochenverlust im Molarenbereich des Unterkiefers von der vorgestellten Therapie profitieren. Aus Patientensicht führt der festsitzende Charakter des Zahnersatzes zu einer deutlichen Verbesserung der Kaufunktion und wirkt sich somit positiv aus.
Schlagwörter: festsitzende Brücke, fortgeschrittener Knochenverlust, kurze Implantate, zahnloser Unterkiefer
WissenschaftDOI: 10.53180/dzz.2022.0029Seiten: 353-361, Sprache: DeutschDüringer, René / Rittich, Anne-Barbara / Wolfart, StefanOriginalarbeitEinführung: Die Umstände der im Jahr 2020 aufgetretenen SARS-CoV-2-Pandemie haben weitreichende Auswirkungen auf unterschiedliche Lebensbereiche, so auch auf die universitäre Lehre. Lösungen finden sich im Homeschooling sowie in diversen Onlineformaten wie Onlinetutorials und dem Flipped-Classroom- Konzept. Die Akzeptanz beider Formate im Vergleich zur klassischen analogen Hörsaallehre am Beispiel der klinischen Semester für Zahnersatzkunde der RWTH Aachen soll Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein.
Material/Methode: Befragt wurden das 8. und das 9. Semester in den klinischen Kursen der Zahnersatzkunde der RWTH Aachen. Zur Anwendung kam ein freiwilliger anonymer, 4-stufig likertskalierter analoger Fragebogen mit hauptsächlich dichotomen sowie geraden, verbalisierten Fragen. Damit wurden die Selbsteinschätzung und Wünsche der Teilnehmer*innen, die Bewertung sozialer Interaktionsmöglichkeiten sowie der Privatsphäre, die Onlinelehre als Ersatz zur klassischen Präsenzlehre sowie die Bewertung der Lehrkonzepte erfragt. Die statistische Auswertung erfolgte mittels Shapiro-Wilk- sowie Kruskal-Wallis-Test.
Ergebnisse: Die Studierenden empfanden das Flipped-Classroom-Konzept zu 73 % besser als die klassische Hörsaallehre bzw. eine übertragene Livevorlesung. Das eigene Lerntempo und die Lernzeit selbst bestimmen zu können war der Mehrzahl der an der Befragung Teilnehmenden sehr wichtig und konnte laut Einschätzung von 93 % der Befragten am besten mit dem Flipped- Classroom-Konzept umgesetzt werden. Signifikante Unterschiede zeigten sich jedoch zwischen der Bewertung durch männliche und weibliche Teilnehmer (p = 0,030). In puncto Interaktion mit Lehrenden bzw. Kommiliton*innen wurde das Format Onlinetutorien prozentual gesehen besser als das Flipped- Classroom-Konzept bewertet. In Bezug auf die Videoformate gab die Mehrheit keine Sorge vor Eingriffen in die Privatsphäre an. Die Gesamtheit der befragten Personen merkte an, eine Erleichterung des Lernens durch die Onlinelehre empfunden zu haben, und gab dem durchgeführten Kurs insgesamt die Note 1,89.
Schlussfolgerung: Die angewandten Onlinelehrkonzepte, Onlinetutorials und Flipped Classroom scheinen das Lernen während der SARS-CoV-2-Pandemie erheblich erleichtert zu haben und eine vielversprechende Ergänzung zu theoretischer Präsenzlehre zu sein.
Schlagwörter: Coronapandemie, Flipped-Classroom-Konzept, Onlinelehre, RWTH Aachen, SARS-CoV-2
WissenschaftDOI: 10.53180/dzz.2022.0030Seiten: 362-370, Sprache: DeutschDerman, Sonja Henny Maria / Wighton, Henrietta / Wicht, Michael Jochen / Noack, Michael Johannes / Barbe, GretaOriginalarbeitEinführung: Ziel der Untersuchung war es, die Haltung von Zahnmedizin - studierenden zu älteren Patienten und die Einschätzung des Stellenwerts für die eigene spätere Praxistätigkeit zu untersuchen.
Methode: Eine Geriatrische Bewertungsskala (engl. Geriatric Assessment Scale (GAS)) mit 14 Items (Likert-Skala) und 4 zusätzlich entwickelte spezifische Fragen zur Einschätzung des Stellenwerts für die eigene Praxistätigkeit wurden an Zahnmedizinstudierende verschiedener Fachsemester onlinebasiert verteilt und gruppenbasiert ausgewertet.
Ergebnisse: N = 76 Studierende (im Wintersemester 2020/21) nahmen teil (mittleres Alter 24 (SD 3) Jahre), 71 % (54) weiblich, 29 % (22) männlich. 28 % hatten im Rahmen ihres Studiums bisher keinen Kontakt mit älteren Patienten, wobei mit aufsteigendem Fachsemester die Kontakte zunahmen. Die 14 Items der GAS wurden überwiegend positiv beantwortet, mit punktuellen Unterschieden zwischen den Fachsemestern. Studierende fühlen sich auf die zahnmedizinische Behandlung älterer Menschen je nach Fachsemester unterschiedlich gut vorbereitet (von 37,2 ± 22,1 im 6. Fachsemester bis zu 65,3 ± 10,2 im Examen (p < 0,001)). Etwa 50 % können sich vorstellen, später aufsuchend tätig zu sein. Bereits erfolgte Kontakte mit älteren Patienten haben einen positiven Einfluss auf den Stellenwert in der zukünftigen Praxistätigkeit (p < 0,05).
Schlussfolgerung: Es besteht eine grundsätzlich positive Grundhaltung der Studierenden gegenüber älteren Patienten und deren Versorgung im Rahmen ihrer zukünftigen Praxistätigkeit. Die Haltung wird durch den Kontakt mit Senioren positiv beeinflusst. Folglich ist es wichtig, seniorenspezifische Inhalte im Zahnmedizinstudium (z.B. im neuen Querschnittsbereich „Medizin und Zahnmedizin des Alterns und des alten Menschen“ nach der neuen ZApprO) in Deutschland zu stärken.
Schlagwörter: Alterszahnheilkunde, Curriculumsentwicklung; Haltung, Querschnittsbereich, Seniorenzahnmedizin
WissenschaftDOI: 10.53180/dzz.2022.0031Seiten: 371-378, Sprache: DeutschGroß, DominikOriginalarbeitEinleitung: 1926 folgte Wilhelm Herrenknecht Otto Walkhoff als Präsident des CVDZ (heute: DGZMK) nach. Seine Bekanntheit blieb allerdings deutlich hinter der seines Vorgängers zurück. Entsprechend gering ist das heutige Wissen über Herrenknechts fachliches Wirken. Auch sein Verhältnis zum Nationalsozialismus wurde bislang kaum thematisiert. Der vorliegende Beitrag nimmt diese Forschungslücken zum Anlass für eine umfassende Rekonstruk - tion von Herrenknechts Leben und Werk unter Berücksichtigung seiner Rolle im „Dritten Reich“.
Material und Methode: Grundlage der Studie sind archivalische Aktenbestände aus Berlin und Freiburg i.Br., das von Herrenknecht veröffentlichte OE uvre und die Lebenserinnerungen seines Assistenten Erwin Neu. Darüber hinaus erfolgte eine umfassende Auswertung der Sekundärliteratur zur Geschichte der Freiburger Zahnklinik und zur Person Herrenknecht.
Ergebnisse: Herrenknecht war ein praktisch versierter, um Ausgleich bemühter Hochschullehrer und Fachpolitiker, hinterließ jedoch in wissenschaftlicher Hinsicht kaum Spuren. Allerdings ist ihm die dauerhafte Etablierung des Freiburger Zahnärztlichen Instituts zuzurechnen. Im „Dritten Reich“ wurde Herrenknecht Mitglied der NSDAP. Den Quellen zufolge war er durchgängig regimetreu.
Diskussion und Schlussfolgerung: Herrenknechts CVDZ-Vorsitz (1926–1928) ist als prototypische Interimspräsidentschaft zwischen der „Ära Walkhoff“ (1906–1926) und der „Ära Euler“ (1928–1954) einzuordnen. Er reichte weder in berufspolitischer noch in wissenschaftlicher Hinsicht an die Bedeutung der beiden Kollegen heran. In der NS-Zeit agierte Herrenknecht als typischer Mitläufer; er trug durch seine Linientreue zur Hoffähigkeit des NS-Regimes bei – freilich ohne in der Öffentlichkeit als glühender Nationalsozialist aufzutreten.
Schlagwörter: CVDZ, Chloräthylnarkose, Freiburg im Breisgau, Nationalsozialismus, NSDAP
WissenschaftDOI: 10.53180/dzz.2022.0032Seiten: 379-386, Sprache: DeutschGraetz, Christian / Al-Nawas, Bilal / Düffert, Paulina / Jatzwauk, Lutz / Cyris, Miriam / Tröltzsch, Markus / Voss, Kai / Rupf, Stefan / Müller, Lena KatharinaÜbersichtEinführung: Eine evidenzbasierte, ausgewogene Diskussion der Fakten zur Senkung des Infektionsrisikos während der SARS-CoV-2-Pandemie durch aerosolkontrollierende Maßnahmen in der zahnärztlichen Praxis wurde bisher nicht vollumfänglich geführt. Im Folgenden soll deshalb über den derzeitigen Stand des Wissens zu Spraynebel und Aerosolkontrolle in den Räumen zahnmedizinischer Einrichtungen berichtet werden, um Schlussfolgerungen zur Risikominimierung von aerogen übertragbaren Infektionserkrankungen in der Praxis zu präsentieren.
Methode: Es werden die Ergebnisse von Studien mit unmittelbarem Bezug zur Spraynebel- und Aerosolkontrolle in der zahnärztlichen Praxis sowie Empfehlungen aus Veröffentlichungen einschließlich nationaler Stellungnahmen und Leitlinien für die Zahnmedizin in einem narrativen Verfahren diskutiert.
Ergebnisse: Die Entscheidungsfindung in den frühen Phasen der SARS-CoV- 2-Pandemie wurde durch die sehr eingeschränkte Evidenzlage erschwert, konnte aber mit zunehmender Pandemiedauer durch publizierte Erkenntnisse zur Spraynebel- und Aerosolkontrolle in der Raumluft zahnmedizinischer Einrichtungen verbessert werden. Die Studienergebnisse zum routinemäßigen Einsatz dentaler Absauganlagen können genutzt werden, um Grenzen ihrer Wirksamkeit im Rahmen der Aerosolreduktion zu spezifizieren. Ebenso zeigen die Erkenntnisse zur ubiquitär verfügbaren natürlichen Raumlüftung sehr hohe stündliche Luftwechselraten (LWR) von bis zu 40 bei ständiger Querlüftung unter optimaler Raumgeometrie mit gegenüberliegenden Fenstern, wohingegen für dezentrale mobile Luftreinigungsgeräte (DMLR) nur ein begrenzter zusätzlicher Effekt bei der Reduktion kleinerer Aerosolpartikel im Behandlungszimmer erwartet werden kann.
Diskussion: Für einen optimierten Infektionsschutz in der Zahnmedizin ist neben der natürlichen Raumbelüftung und der Einhaltung aller bekannten Hygienerichtlinien der Gebrauch der intraoralen Absaugung (hochvolumige Anlage (HVE) mit einem Saugvolumen > 250 l/min) unter Verwendung einer ausreichend groß dimensionierten Saugkanüle (Öffnung ≥ 10 mm), nah am aerosolgenerierenden Behandlungsfeld positioniert, obligatorisch. Aus Übertraklinischer Sicht bieten ergänzend eingesetzte DMLR bei aerosolgenerierenden Tätigkeiten keinen oder nur einen geringen zusätzlichen Reduktionseffekt. Der Raumluftaustausch durch die natürliche Raumlüftung in Kombination mit einer HVE-Anlage zeigt einen hohen Wirkungsgrad und stellt weiterhin das Standardprozedere in der zahnärztlichen Praxis dar. Zukünftige Untersuchungen müssen klären, ob in Ausnahmesituationen mit hohem Infektionsrisiko, wenn beispielsweise keine intraorale Absaugung zur Anwendung kommt oder Schutz-/Hygienemaßnahmen nur eingeschränkt eingehalten werden können, DMLR-Geräte mit LWR ≥ 6 eine Ergänzung darstellen können.
Schlussfolgerung: Etablierte Hygienekonzepte und Schutzmaßnahmen einschließlich der Raumlüftung mit Frischluft haben sich auch während der SARS-CoV-2-Pandemie in der zahnärztlichen Praxis als ausreichend wirksam bewährt.
Schlagwörter: aerogen übertragbare Infektionskrankheiten, Aerosol, Leitlinien, SARS-CoV-2
Mitteilungen der GesellschaftSeiten: 387-388, Sprache: DeutschBrakel, MarkusBeim Deutschen Zahnärztetag trat Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang (Universität Kiel) die Nachfolge von Prof. Dr. Roland Frankenberger an. Im Interview spricht er über die Entwicklungen in der Zahnmedizin und seine Ziele