Parodontologie, 4/2023
Pages 401-412, Language: GermanStrauß, Brigitte / Eickholz, Peter
In Deutschland lebten 2022 etwa 84 Millionen Menschen. Jede zweite Person in Deutschland ist heute älter als 45 und jede fünfte Person älter als 65 Jahre. In den jüngeren Altersgruppen nimmt die Zahl der Menschen mit Parodontalerkrankungen ab, aber prognostisch steigt der Behandlungsbedarf für Parodontitis aufgrund der demografischen Entwicklung insgesamt an (Morbiditätskompression). Nach der 5. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) von 2016 leidet mehr als jeder zweite jüngere Senior (65−74 Jahre) an einer parodontalen Erkrankung. Der Behandlungsbedarf bei Senioren ist also groß. Je nach primärem Alter und Gesundheitszustand (sekundäres Alter) weisen Senioren hinsichtlich häuslicher Biofilmkontrolle Besonderheiten auf: Die Feinmotorik, aber auch die Sensorik können eingeschränkt sein. Es gibt Hilfsmittel, mit denen sich diese Defizite zumindest teilweise kompensieren lassen. Solange ältere Patienten (mit vorwiegend primärem Altern) in der Lage sind, autonom unsere Praxen aufzusuchen oder von Familienangehörigen dorthin gebracht zu werden und eine ausreichend effektive Mundhygiene durchführen können, unterscheidet sich eine Mundhygieneunterweisung nicht von der Vorgehensweise bei jüngeren Patienten. Die Veränderungen und Anpassungen sind graduell und von Behandlung zu Behandlung kaum merklich. Auf lange Sicht verbessert sich die orale/parodontale Gesundheit aber eher nicht. Das Ziel sollte es sein, so lange wie möglich mit pragmatischen Mitteln Kaufunktion und orale Gesundheit zu gewährleisten.
Manuskripteingang: 19.06.2023, Annahme: 04.10.2023
Keywords: individuelle Biofilmkontrolle, Senioren, Mundhygieneunterweisung
Parodontologie, 4/2023
Pages 449-462, Language: GermanKlingert, David / Eickholz, Peter / Petsos, Hari
Diskussionsbeitrag des Masterkurses „Parodontologie und Implantattherapie“ der DG PARO und DIUZiel dieser Studie war es, die Attachmentverluste an mandibulären zweiten Molaren (M2) nach operativer Entfernung des dritten Molaren (M3) bei parodontal gesunden Patienten unter Anwendung von advanced leuko- und thrombozytenreichem Fibrin (A-PRF) zu untersuchen. Dazu wurden Patienten mit jeweils beidseits vorhandenen entfernungsbedürftigen mandibulären M3 rekrutiert. Diese galten als retiniert (unter der Schleimhaut liegend) oder impaktiert (komplett knöchern umgeben) und wurden im Split-Mouth-Design randomisiert einer Test- (mit A-PRF) oder Kontrollgruppe (ohne A-PRF) zugewiesen. Zu Baseline (BL) und nach 6 Monaten wurden Plaque-, Gingiva-Index, Attachmentlevel (AL) und Sondierungstiefen (ST) erhoben. Das Auftreten von Komplikationen sowie PROMs (Patient reported outcome measures) mittels visueller Analogskala und direkter Nachfrage wurden nach 3 und 10 Tagen sowie 6 Monaten dokumentiert. Eine initiale Poweranalyse ergab eine erforderliche Anzahl von 34 Patienten. Bisher wurden 6 Patienten (4 weiblich, Durchschnittsalter: 20,7 ± 2,9 Jahre) mit 12 M3 eigeschlossen. In die Testgruppe wurden 3 retinierte und 3 impaktierte M3 und in die Kontrollgruppe 1 retinierter und 5 impaktierte M3 eingeschlossen. Sowohl AL als auch ST nahmen in der Kontrollgruppe ab (ST: −0,03 ± 0,24 mm, p = 0,786; AL: −0,05 ± 0,13 mm, p = 0,317), während es in der Testgruppe zu einem Anstieg der Werte kam (ST: 0,12 ± 0,25 mm, p = 0,623; AL: 0,03 ± 0,07 mm, p = 0,317). Nach 3 und 10 Tagen gab ein Patient an, auf beiden operierten Seiten Schmerzen > 2 Tage gehabt zu haben. Die VAS-Werte sanken signifikant (p = 0,001) von 29,5 ± 16,8 (BL) auf 0,0 ± 0,0 (6 Monate). Zwei Patienten (33,3 %) konnten sich nach erfolgter M3-Entfernung nicht vorstellen, den Eingriff nochmals durchführen zu lassen. In dieser ersten Datenauswertung zeigten sich bei vergleichbarer Komplikationsrate und moderater Patientenzufriedenheit weder mit noch ohne A-PRF-Anwendung signifikante AL-Veränderungen nach 6 Monaten an den jeweiligen M2. Die Veränderungen von AL und ST waren klinisch nicht relevant. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Studie unterpowert. Mit finalen Daten ist 2024 zu rechnen.
Manuskripteingang: 06.04.2023, Annahme: 28.09.2023
Keywords: distaler parodontaler Defekt, mandibuläre dritte Molaren, Weisheitszähne, operative Weisheitszahnentfernung
Parodontologie, 2/2023
Pages 181-195, Language: GermanEickholz, Peter / Schacher, Beate / Schnabl, Dagmar / Kapferer-Seebacher, Ines / Nickles, Katrin
Palmoplantare Hyperkeratosen und ParodontitisDas Papillon-Lefèvre-Syndrom (PLS) ist mit einer Prävalenz von 1−4 Fällen unter 1 Million Menschen eine seltene genetische Erkrankung. PLS ist gekennzeichnet durch Hyperkeratosen an Hand- und Fußflächen sowie schwere und rasch voranschreitende Parodontitis, die Milch- und bleibende Zähne befällt. Dem Syndrom liegen homozygote oder gemischt-heterozygote Mutationen des Gens zugrunde, das die Dipeptidyl-Aminopeptidase Cathepsin C (CTSC) codiert, die zu einem Funktionsverlust des Gens führen. In den meisten beschriebenen Fällen wurde Aggregatibacter actinomycetemcomitans im subgingivalen Biofilm nachgewiesen. Während der Phagozytose wird das bakterizide Peptid LL-37 (Cathelicidin) durch die von CTSC abhängige Proteinase 3 aktiviert. LL-37 wirkt stark antimikrobiell gegen die meisten Stämme von A. actinomycetemcomitans. Ohne CTSC wird das antimikrobielle LL-37 nicht aktiviert. Bei einigen PLS-Patienten konnte die Parodontitis mittels systematischer Parodontitistherapie − bestehend aus Mundhygieneinstruktionen (Stufe 1), Extraktion hoffnungsloser Zähne, subgingivaler Instrumentierung (Stufe 2) mit adjuvanter systemischer Antibiotikagabe und schließlich intensiver unterstützender Parodontitistherapie (UPT) − gestoppt werden. Mikrobiologisches Monitoring spielt bei der Kontrolle einer (Re-)Infektion mit A. actinomycetemcomitans eine Rolle. Implantate bei PLS-Patienten, die nicht regelmäßig an der UPT teilnahmen, zeigten ein hohes Risiko für Periimplantitis und Implantatverlust. Bis heute ist nicht völlig geklärt, warum manche PLS-Patienten gut auf eine Parodontitistherapie ansprechen und andere nicht. Es scheint aber, dass eine frühe Diagnose und systematische Therapie mit Suppression von A. actinomycetemcomitans unter die Nachweisgrenze und eine eng getaktete UPT langfristigen Zahnerhalt begünstigen oder zumindest Zahnverlust deutlich reduzieren.
Manuskripteingang: 15.12.2022, Annahme: 12.03.2023
Keywords: Papillon-Lefèvre-Syndrom, Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Parodontitis, Langzeiterfolg
Parodontologie, 2/2023
Pages 207-224, Language: GermanSchröder, Mario / Eickholz, Peter
FallberichtDieser Fallbericht schildert die systematische parodontale Behandlung eines 54-jährigen Patienten, der sich aufgrund einer malignen Tumorerkrankung mit ossärer Metastasierung einer antiresorptiven Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Denosumab unterziehen sollte und im Vorfeld zur Parodontitistherapie überwiesen wurde. Die klinische und radiologische Untersuchung ergab eine fortgeschrittene Parodontitis (generalisiert, Stadium IV, Grad C) und mehrere Zähne, die im Kontext der Tumortherapie nicht erhalten werden konnten. Die aktive Parodontitistherapie erfolgte in zwei Stufen: (1) Kontrolle von Risikofaktoren und supragingivale Biofilmentfernung, (2) subgingivale Instrumentierung (SI) mit adjuvanter systemischer Antibiotikagabe und Extraktion der nicht erhaltungswürdigen Zähne. In einzelnen Belangen wurde aufgrund der Dringlichkeit der Tumortherapie vom etablierten Stufenschema der Parodontitistherapie abgewichen. Bereits eine Woche nach SI konnte daher die antiresorptive Medikation mit Denosumab begonnen werden. Bei der Befundevaluation nach SI wurde eine deutliche Verbesserung der parodontalen Situation festgestellt. Seitdem nimmt der Patient risikoadaptiert an der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT; Stufe 4) teil und stellt sich in vierteljährlichen Abständen zum Recall vor.
Manuskripteingang: 18.01.2023, Annahme: 09.03.2023
Keywords: systematische Parodontitistherapie, unterstützende Parodontitistherapie (UPT), Antiresorptiva, Denosumab
Parodontologie, 1/2023
Pages 11-21, Language: GermanDannewitz, Bettina / Eickholz, Peter
Bei fortgeschrittener Parodontitis kann es zur Lockerung von Zähnen kommen. Durch eine Schienung können die Zähne stabilisiert und der Kaukomfort für die betroffenen Patienten verbessert werden. Die Schienung von Zähnen kann in allen Phasen der systematischen Parodontaltherapie erfolgen, insbesondere vor der subgingivalen Instrumentierung, um die Behandlung zu vereinfachen, und vor parodontalchirurgischen Maßnahmen (insbesondere regenerativen Eingriffen), um die Anhaftung des Blutkoagulums an der Wurzeloberfläche während der Wundheilung zu verbessern.
Manuskripteingang: 04.12.2022, Annahme: 16.01.2023
Keywords: parodontale Schienung, Verblockung, Lockerung, Parodontitis, faserverstärkte Komposite