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Studienlage, Prothetik, Ästhetik – ein Update zum weißen Zahnimplantat

Der Einsatz von Keramikimplantaten hat in den vergangenen Jahren zugenommen und entspricht der generellen Tendenz hin zu metallfreien dentalen Versorgungen. Eine zunehmende wissenschaftliche Evidenz belegt deren sichere Verwendung und Wirksamkeit, wenn auch vorerst nur mit kurz- bis mittelfristigen klinischen Studien.

Insbesondere im Bereich der Ästhetik aber weisen Keramikimplantate potenzielle Vorteile gegenüber der Versorgung mit Titanimplantaten auf. Dank ihrer zahnähnlichen weißen Farbe führen sie zu einer geringeren Verfärbung der umgebenden Weichgewebe und erlauben so eine ästhetische Versorgung, auch bei einer Mukosadicke von unter zwei Millimetern. Keramikimplantate weisen höhere Pink-Esthetic-Score-Werte auf als zweiteilige Titanimplantate. Basierend auf diesen Daten könnte das Keramikimplantat zukünftig vielleicht als Alternative für den ästhetischen Zahnersatz eingesetzt werden. Zurzeit sind jedoch praktisch keine Langzeitergebnisse aus klinischen Untersuchungen über Keramikimplantate vorhanden. Entwicklungen zur Verbesserung der Verschraubung von zweiteiligen Keramikimplantaten könnten das Anwendungsspektrum erweitern.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

 

In der Zahnmedizin ist in den vergangenen Jahren eine generelle Tendenz hin zu vollkeramischen Versorgungen zu erkennen. Vergleicht man zum Beispiel eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit über zahngetragene Brücken1 mit einer älteren2, so wurden in der aktuellen Übersichtsarbeit im Verhältnis mehr Studien mit vollkeramischen Versorgungen eingeschlossen. Diese Entwicklung vom Metall hin zur Keramik könnte in der Zukunft auch beim Implantatmaterial erkennbar sein, obwohl die wissenschaftliche Evidenz von Titanimplantaten für die Verankerung von festsitzenden Rekonstruktionen in der Zahnmedizin sehr hoch ist und zahlreiche systematische Übersichtarbeiten von einer hohen Überlebens- und Erfolgsrate der Titanimplantate und deren Rekonstruktion berichten3,4. Aktuell sind erst wenige klinische Studien mit Langzeitergebnissen von Keramikimplantaten publiziert. Dennoch sind bereits viele Keramikimplantat-Systeme verschiedener Anbieter auf dem Markt erhältlich.

Die Hochleistungskeramik Zirkoniumdioxid eignet sich aufgrund mehrerer Eigenschaften zum Einsatz als ästhetisches Implantatmaterial. Das Material weist eine hohe Biokompatibilität, ausgezeichnete Materialeigenschaften (Biegefestigkeit 900–1200 MPa/Risszähigkeit 7–10 MPa m1/2) und eine weiße, zahnähnliche Farbe auf5. Es werden aktuell immer mehr Studien über Keramik­implantate publiziert, sodass auch mehr präklinische und klinische Daten zu verschiedensten Aspekten verfügbar sind.

Klinische Ergebnisse von Keramikimplantaten

Aktuelle systematische Übersichtsarbeiten analysierten die durchschnittliche Überlebensrate von Zirkoniumdioxidimplantaten. Diese liegt je nach Einschlusskriterien in den Meta-Analysen zwischen 92 und 98,3 Prozent nach 1 Jahr und bei 97,2 % nach 2 Jahren6–8. Eine zweizentrische prospektive Studie der Universität Freiburg und der Universität Zürich mit 71 eingeschlossenen einteiligen Yttrium-stabilisierten Zirkoniumdioxidimplantaten, welche ohne oder nur mit kleinen simultanen Knochenaugmentationsverfahren gesetzt wurden, berichtet von einer 98 % Überlebensrate nach einer mittleren Beobachtungszeit von 5,6 Jahren (Abb. 1)9.

Ein stabiles marginales Knochenniveau ist ein guter Prädiktor für eine langzeitstabile Osseointegration und für ein gesundes periimplantäres Gewebe10. Publizierte Studien mit Beobachtungszeiten bis zu sieben Jahren berichten von einem marginalen Knochenverlust zwischen 0,13 und 2,1 mm11. Der durchschnittliche Knochenverlust nach einem Jahr wird in verschiedenen systematischen Übersichtsarbeiten zwischen 0,7 und 0,89 mm angegeben6,8,11. In der oben erwähnten zweizentrischen Studie beträgt der Knochenverlust nach 5 Jahren lediglich 0,74 ± 0,62 mm, wobei der größte Anteil des Knochenverlusts in den ersten sechs Monaten gemessen werden konnte (0,68 ± 0,56 mm) und als initiales Remodelling gewertet werden kann. In der Folge blieb das Knochenniveau über fünf Jahre ohne weitere signifikante Verluste stabil9.

Aus den heute zur Verfügung stehenden Daten mit kurz- bis mittelfristigen Beobachtungszeiten kann geschlussfolgert werden, dass das Keramikimplantat eine vergleichbare Überlebensrate und ein stabiles marginales Knochenniveau wie das Titanimplantat aufweist.

Klinische Ergebnisse vollkeramischer Rekonstruktionen auf Keramikimplantaten

Während das eigentliche Implantat vor allem als künstliche Wurzel der Verankerung im Knochen dient, erfüllt die darauf befestigte Rekonstruktion den größeren Anteil zur Wiederherstellung der Kaufunktion und der Ästhetik nach einem Zahnverlust. Die gesunde Integration des Implantats in das umgebende Gewebe kann der Patient oft nur bedingt selbst beurteilen. Dies wird für den Patienten oft erst relevant, wenn biologische Komplikationen zu einem größeren Behandlungsbedarf oder im Extremfall zu einem Implantatverlust führen. Im Gegensatz dazu reduzieren technische Komplikationen wie zum Beispiel eine Fraktur der Verblendkeramik das ästhetische Resultat oder die Kaufunktion und werden deshalb vom Patienten sofort wahrgenommen.

Die meisten klinischen Studien über Keramik­implantate berichten nicht oder nur marginal vom prothetischen Ergebnis der Rekonstruktionen. Die in der aktuellen Literatur verfügbaren Publikationen zeigen hingegen sehr hohe Überlebensraten von festsitzenden Rekonstruktionen auf Keramik­implantaten. Von sechs Studien, die über eine Überlebensrate nach zwei Jahren berichten, weisen fünf eine Überlebensrate von 100 Prozent12–16 auf und eine von 98 Prozent17. Häufigste technische Komplikation der Suprastruktur auf Keramikimplantaten ist die Keramikfraktur (Chipping). Analysiert man das Auftreten des Chippings getrennt nach verschiedenen Versorgungsarten, besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den verschiedenen Gruppen. Nach zwei Jahren weisen Studien mit Keramikimplantaten und monolithischen Kronen keine Keramikfrakturen auf (0 Prozent)12,13, Studien mit verblendeten Kronen eine Chippingrate zwischen 19 und 21 Prozent14,15 und Studien mit verblendeten Brücken eine Chippingrate zwischen 42 und 48 Prozent auf15,16. Die Verwendung monolithischer Rekonstruktionen kann folglich das Auftreten eines Chippings auf ein Minimum reduzieren. In einer kürzlich publizierten klinischen Studie18 wurde neben den technischen Komplikationen auch die subjektive Patientenwahrnehmung der Ästhetik und Zufriedenheit evaluiert. Interessanterweise hatte die relative hohe Inzidenz von Frakturen der Verblendkeramik (47,5 Prozent nach fünf Jahren) keinen signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheit und auf die ästhetische Beurteilung der Kronen durch die Patienten.

Aufgrund des Frakturrisikos der Verblendkeramik könnte es aus klinischer Sicht von Vorteil sein, Rekonstruktionen auf Zirkoniumdioxidimplantaten monolithisch herzustellen und nur falls erwünscht aus ästhetischen Gründen minimal zu verblenden.

Ästhetik von Zirkoniumdioxidimplantaten

Die Farbe der Mukosa im Bereich von ca. einem Millimeter unterhalb des Margo Mucosae hat einen entscheidenden Einfluss auf das gesamte ästhetische Erscheinungsbild und kann durch die Materialwahl der Rekonstruktion beeinflusst werden19. Einteilige Keramikimplantate weisen in diesem Bereich einen messbaren ästhetischen Vorteil gegenüber Titanimplantaten mit vergleichbarem Implantatdesign auf (Abb. 2). So konnte in einer In-vitro-Studie20 spektrophotometrisch gemessen werden, dass das Setzen eines Titanimplantats mit einer integrierten, maschinierten Halspartie zu einer signifikant ausgeprägteren Verfärbung der marginalen Mukosa führt (ΔE = 8,05 ± 2,51) als bei einem einteiligen Zirkoniumdioxidimplantat (ΔE = 4,93 ± 3,18).

Während die Dicke der bukkalen Knochenlamelle keinen entscheidenden Einfluss auf diese Farbveränderung hatte, war die Dicke der Mukosa entscheidend. So konnte in der gleichen Studie auch gezeigt werden, dass durch ein Bindegewebetransplantat die Farbveränderung in beiden Materialgruppen signifikant reduziert werden konnte. Wie bereits in früheren klinischen Studien aufgezeigt, welche die Farbveränderung durch keramische und metallene Abutments auf zweiteiligen Titanimplantaten untersuchten, liegt die kritische Mukosadicke bei zwei Millimetern. Aus diesem Grund wird bei zweiteiligen Titanimplantaten und einer dünnen Mukosa im ästhetischen Bereich die Verwendung von Zirkoniumdioxidabutments oder die Verdickung des bukkalen Weichgewebes durch ein Bindegewebetransplantat empfohlen19. Die Verwendung von keramischem Material im Bereich des Durchtrittes durch die Gingiva kann folglich sowohl bei zweiteiligen Implantaten als auch bei einteiligen Implantaten einen positiven Einfluss auf das Erscheinungsbild der Mukosa nehmen.

Wichtig für ein optimales Erscheinungsbild ist zudem auch ein stabiles Weichgewebeniveau um die Implantate und die Ausdehnung der benachbarten interdentalen Papillen. Resultate aus einer 5-jährigen Studie mit einteiligen Keramikimplantaten konnten zeigen, dass das Niveau des periimplantären Weichgewebes über die gesamte Beobachtungszeit stabil blieb, während an den benachbarten Zähnen statistisch signifikante Rezessionen gemessen werden konnten9. In einer weiteren prospektiven klinischen Studie konnten Spies et al. sogar eine statistisch signifikante Vergrößerung der interdentalen Papillen um einteilige Keramikimplantate über die Beobachtungszeit feststellen. Gemessen nach dem Index von Jemt, erreichten bei der Insertion lediglich 17 Prozent der Papillen einen Wert von mindestens 2, während dieser Anteil nach drei Jahren auf 56 Prozent stieg21.

Für einen direkten Vergleich zwischen dem Pink-Aesthetic-Score-Wert von Zirkoniumdioxid­implantaten und dem Wert von Titanimplantaten liegen zurzeit nur Daten aus einer einzigen randomisierten klinischen Studie vor13. Die Zirkonium­dioxidimplantate wiesen sowohl bei Insertion (Zirkoniumdioxid 6,88/Titan 2,43) als auch nach zwei Jahren (Zirkoniumdioxid 11,22/Titan 10,75) signifikant höhere Werte auf als zweiteilige Titanimplantate, welche mit einer Lithiumdisilikatkrone auf einem Titanabutment versorgt wurden. Bezüglich Erfolgsrate gab es aber keinen signifikanten Unterschied zwischen den zwei Gruppen. Keramikimplantate könnten jedoch möglicherweise einen ästhetischen Vorteil gegenüber Titanimplantaten aufweisen.

Probleme bei zementierten Versorgungen auf einteiligen Implantaten

Abb. 3 Stark skaloppierender Verlauf des Margo Mucosae in der Oberkieferfront.
Abb. 3 Stark skaloppierender Verlauf des Margo Mucosae in der Oberkieferfront.
Es muss allerdings erwähnt werden, dass die wissenschaftliche Datenlage zu den Keramik­implantaten praktisch vorwiegend auf einteiligen Keramikimplantaten mit zementierten Rekonstruktionen basieren. Deren Verwendung im ästhetischen Bereich birgt jedoch gewisse biologische Risiken. Idealerweise kommt die Schulter des einteiligen Implantats leicht submukosal zu liegen. Besonders im Bereich der Frontzähne ist jedoch ein stark skaloppierender Verlauf des Margo Mucosae mit vertikalen Höhenunterschieden von bis zu 6 mm nicht selten anzutreffen (Abb. 3). Wird in einer solchen Situation das Implantat in einer vertikalen Höhe so gesetzt, dass die Schulter am tiefsten Punkt (meistens bukkal) leicht submukosal liegt, kommt die Schulter am Ort mit dem höchsten Verlauf des Margo Mucosae beinahe 7 mm submukosal zu liegen. Die Entfernung von Zementüberschüssen ist bei so tief gelegenen Implantatschultern deutlich erschwert22–24. Nicht entfernte Zementreste führen langfristig zu biologischen und in der Folge auch zu ästhetischen Komplikationen25.

Ein verschraubtes, zweiteiliges Implantatdesign ist in einer solchen Situation wünschenswert. Die Stabilität und das Design einer metallfreien Verbindung zwischen der vollkeramischen Suprakonstruktion und dem ebenfalls keramischen Implantatkörpers stellt jedoch weiterhin eine zu lösende Herausforderung dar. Entwicklungen hinsichtlich der Verbindung von zweiteiligen Keramikimplantaten könnten ihr Anwendungsspektrum erweitern und das klinische Handling verbessern. Zweiteilige Implantate sind aktuell zwar auf dem Markt erhältlich, es fehlen jedoch häufig langfristige Ergebnisse aus klinischen Studien.

Ein Beitrag von Dr. Marc Balmer, Prof. Dr. Ronald E. Jung, Prof. Dr. Christoph H. F. Hämmerle und PD Dr. Daniel S. Thoma, alle Zürich, Schweiz

Erstveröffentlichung in Implantologie 2/2019.

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

 

Quelle: Implantologie 2/19 Implantologie Ästhetische Zahnheilkunde