WissenschaftSeiten: 18-29, Sprache: DeutschRahim-Wöstefeld, Sonja / Gao, Ino K. / Pretzl, BernadetteFallberichtEine 24-jährige Patientin stellte sich mit seit zwei Wochen bestehenden zunehmenden Zahnfleischbeschwerden in regio 23 – 24 in der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde des Universitätsklinikums Heidelberg vor. Ihr Hauszahnarzt behandelte zuvor die Verletzung im Bereich der marginalen Gingiva der Zähne 23 – 24 mit einem Prednisolongel. Aus der zusätzlichen topischen Immunsuppression resultierte eine Abszessbildung, die sich am Tag der Erstvorstellung als scharf begrenzte, nekrotisierende, ulzerierende, beinahe bis zur Raphe mediana reichende Läsion im Sinne einer nekrotisierenden Ulzeration darstellte. 2018 war bei der Patientin eine rezidivierende Polychondritis mit Weichteilbeteiligung diagnostiziert worden, die medikamentös mit wöchentlich subkutan verabreichtem Methotrexat (20 mg) und täglich einzunehmendem Azathioprin (100 mg) und Prednisolon (2 mg) therapiert wurde. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Internisten wurde die Methotrexat-Gabe pausiert und die Patientin antibiotisch abgeschirmt. Durch regelmäßige und sukzessive Reinigung mittels Handinstrumenten konnten bereits nach einigen Wochen deutlich verbesserte Wundverhältnisse verzeichnet werden.
Schlagwörter: Immunsuppression, Nekrose, Risikopatienten
OriginalarbeitSeiten: 30-39, Sprache: DeutschCyris, Miriam / Geus, Felix / Graetz, ChristianErste Umfrageergebnisse aus zahnärztlichen PraxenEinführung: Trotz der Integration medikamentös induzierter gingivaler Hyperplasien (MIGH) als Form der plaqueinduzierten Gingivitis in die aktuelle Klassifikation für parodontale Erkrankungen von 2018 gibt es gegenwärtig nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zu Auftreten, Diagnostik und Therapie in deutschen zahnärztlichen Praxen. Erstes Ziel einer zweigeteilten Umfragestudie war es, den aktuellen Wissensstand und das Vorgehen bei MIGH in der zahnärztlichen Praxis zu evaluieren.
Methode: Mittels eines Onlinefragebogens (Ethikvotum: D524/22) wurden von Oktober bis Dezember 2022 Zahnärzte/-innen (ZA) und weitergebildetes zahnmedizinisches Prophylaxepersonal (PP) deutschlandweit befragt. Nach Einwilligung zur anonymisierten Datenerhebung wurden mithilfe eines dreiteiligen Fragebogens, bestehend aus 27 Items, demografische Informationen (z. B. Berufserfahrung, Spezialisierung), Charakteristika der bereits behandelten MIGH-Fälle (z. B. Häufigkeiten, Therapieausgang, Kooperationen) und konkretes Wissen sowie das bisher genutzte Therapiekonzept erfasst und vorwiegend deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse: Es nahmen 44 ZA und 33 PP an der Umfrage teil (Responserate 14,4 %). Die Relevanz der MIGH schätzten sowohl die ZA als auch die PP mit 27,2 % als „hoch“ ein. Der persönliche Wissensstand wurde von den ZA in 31,8 % (PP 12,1 %) als „gut“ bewertet; im Durchschnitt wurden 3,1 von 11 richtigen Antworten im Wissenstest gegeben. 66 % der ZA gaben an, ≤ 5 Fälle/Jahr zu befunden/behandeln (PP 84,8 %). Die Mehrheit berichtete, dass meist ein Therapieerfolg erzielt wird (ZA 90 %; PP 75,7 %), jedoch nur selten im Rahmen „regelmäßiger“ interdisziplinärer Zusammenarbeit (ZA 25 %; PP 21,2 %).
Schlussfolgerung: Die Studienergebnisse weisen eine Diskrepanz zwischen der in Deutschland wachsenden Menge verschriebener Arzneimittel mit der Nebenwirkung „MIGH“ und der somit eigentlich anzunehmenden steigenden MIGH-Prävalenz in der zahnärztlichen Praxis auf. Möglicherweise liegt dies auch an den konstatierten Wissenslücken in Befund, Diagnose und Therapie der befragten Berufsgruppen, weshalb dringend neben vermehrten spezifischen Fortbildungsangeboten zum Thema MIGH die interdisziplinäre Zusammenarbeit für eine patientenindividualisierte Versorgung verbessert werden sollte.
Schlagwörter: gingivale Hyperplasie, medikamentenassoziierte Gingivawucherung, Onlineumfrage, zahnärztliche Praxis
OriginalarbeitSeiten: 40-50, Sprache: DeutschSchiller, Simone / Rustemeier, Elke / Kraus, Dominik / Stark, Helmut / Müller, Frauke / Utz, Karl-HeinzEinführung: Der Großteil der Totalprothesen wird derzeit noch immer konventionell im Wachs-Kunststoff-Transformationsverfahren hergestellt. Abhängig vom Polymerisationsprozess kann dabei eine Formänderung des Prothesenkörpers zu einer Passungenauigkeit im Vergleich zur ursprünglichen Abformung führen. Dies betrifft insbesondere den Bereich des dorsalen Randes von Oberliefer-Totalprothesen. Ziel dieser Studie war es, die Größe des Spalts von Oberkiefer-Totalprothesen am posterioren Abschluss nach der Polymerisation mit verschiedenen Kaltpolymerisaten in dreidimensionaler Ausdehnung und unter dem Einfluss verschiedener Gaumenformen zu ermitteln.
Material und Methode: Untersucht wurden vier kaltpolymerisierende Kunststoffe. Auf 120 Gipsmodellen mit drei unterschiedlichen Gaumenformen (hoch, mittel, flach) wurden für jede der vier Gruppen jeweils zehn Prothesen für den flachen, mittleren und hohen Gaumen im Gießverfahren angefertigt. Die dreidimensionale Erfassung des Spalts erfolgte mittels Abformung mit einem dünnfließenden Silikon und anschließender Vermessung mithilfe eines Scanners.
Ergebnisse: Die Form des Gaumens hatte einen signifikanten Einfluss auf die Passungen der Prothesen am dorsalen Abschluss (Median p = 0,0435), nicht jedoch die verschiedenen Arten der Kaltpolymerisate (Median p = 0,2575). Die Spaltbreite war für die flache Gaumenform am größten und am kleinsten für den hohen Gaumen. Die größten Spalten wurde im Bereich der Raphe palatina mediana (flacher Gaumen 685 μm, hoher/mittlerer Gaumen 620 μm) beobachtet; die Größe nahm nach lateral zu den Tubera und nach anterior hin ab.
Schlussfolgerung: Zur Kompensation der dorsalen, auf die Polymerisationsschrumpfung zurückzuführenden Passungenauigkeit an der Aha-Linie ist eine kastenförmige, ca. 5 mm breite und im Bereich der Raphe palatina mediana ca. 0,7 mm tiefe Radierung des Meistermodells anzuraten, die nach lateral und anterior abnimmt. Hohe und mittelhohe Gaumenformen erfordern eine weniger ausgeprägte Radierung.
Schlagwörter: dorsale Randabdämmung, dorsaler Randspalt, Oberkiefer-Totalprothese, PMMA, Radierung Meistermodell
OriginalarbeitSeiten: 52-61, Sprache: DeutschLang, Tomas / von Schmettow, Marianne / Grotzky, Kristina / Gängler, PeterMechanische Plaquekontrolle ist der effektivste Weg zur Verhinderung einer potenziell pathogenen Plaquematuration. Die Effektivität der Anwendung von Zahnbürsten zur Plaquekontrolle hängt von vielen Faktoren ab, darunter von der Technologie und der Anwenderfreundlichkeit. Eine neue Lamellenzahnbürste mit Vibration und manuellen Bewegungen (lateral, vertikal und sagittal) unter Kaukraft (ca. 7,5 N) wurde im Robotertest und erstmals als Serienprodukt in einer klinischen Studie im Vergleich zur Effizienz einer elektrischen Schallzahnbürste bewertet. Zur Unterstützung der Vibrationsübertragung auf die Zahnflächen wurde ein fluoridhaltiger Zahnschaum mit 1.450 ppm Fluorid eingesetzt. Hauptziel der Untersuchung war die Plaquekontrolle mit Intraoralfotografie und Bewertung mit dem klinischen Planimetrischen Plaque-Index clinPPI an neun Feldern bukkal und palatal/lingual aller Zähne und mit einem neuen Okklusalindex an zwei Feldern der Prämolaren und vier Feldern der Molaren (oPPI). Präklinisch hatte der Robotertest eine Auswertung an 24 Feldern von vier Situs aller Zähne mit pixelgenauen Prozentwerten ermöglicht. Die Vergleiche wurden mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test und dem Shapiro-Wilk-Test statistisch gesichert. Im Robotertest waren mit Ausnahme der anterioren Approximalflächen alle anderen Werte der Lamellenzahnbürste (30,7 – 87,6 % Plaqueentfernung) der Schallzahnbürste hochsignifikant überlegen. In der randomisierten klinischen Studie war die Schallzahnbürste bei der Plaqueentfernung an den vestibulären Flächen der Lamellenbürste überlegen. An allen Risikofeldern bukkal und lingual/palatal sowie approximal gab es nach vier, elf und 18 Tagen keine signifikante Differenzierung zwischen beiden Bürsten, lediglich nach 25 Tagen eine Überlegenheit für die Schallzahnbürste an palatalen und lingualen Risikoflächen. Die Gesamtplaquekontrolle an allen Flächen aller Zähne erreicht vom 4. bis 25. Tag 0,4 bis 0,5 PPI mit der Lamellenbürste gegenüber 0,7 PPI mit der Schallzahnbürste. Der komplexe Lamellenvibrationsvorgang mit einem Übertragungsmedium, dem Zahnschaum, ist gegenüber der Schallübertragung über Filamente mit konventioneller Zahnpasta im hochstandardisierten Robotertest überlegen, im klinischen Test ebenbürtig. Die Plaquekontrolle an allen Zähnen gleichzeitig für eine Minute ist klinisch effektiv.
Schlagwörter: Lamellenzahnbürste, Plaquekontrolle, RCT-Plaqueplanimetrie, Robotertest, Schallzahnbürste