OriginalarbeitLanguage: GermanBei haftungsrechtlichen Auseinandersetzungen geht es regelmäßig um die Frage, ob die streitbefangene Behandlung dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand entsprach oder nicht. An dieser Stelle gewinnen Empfehlungen, Leitlinien, Richtlinien und Standards, denen wir im Zeitalter der "Evidence based Medicine" immer häufiger begegnen, rechtliche Relevanz. Häufig wird versucht, sie nach ihren unterschiedlichen rechtlichen Verbindlichkeiten zu unterscheiden. Es steht jedoch kaum zu erwarten, dass die feine Differenzierung der Verpflichtungsgrade in der gerichtlichen Alltagsroutine wiederzufinden sein wird. Der Arzt bzw. Zahnarzt gerät, gleichgültig ob er eine Empfehlung, Leitlinie oder Richtlinie nicht beachtet hat, in den Zwang, dies plausibel zu begründen. Gelingt ihm das nicht, wird sich die Beweislage für ihn möglicherweise dramatisch verschlechtern. Damit es angesichts dessen nicht zu einer reinen Defensivmedizin kommt, statt zu einer mit Leitlinien beabsichtigten Qualitätssteigerung, sollten Leitlinien keine einzwängenden Behandlungsreglementierungen beinhalten, sondern sich dem Arzt bzw. Zahnarzt als schnell verfügbare, transparente Information über den aktuellen medizinischen Erkenntnisstand präsentieren. Dann können Leitlinien sich qualitätssteigernd auswirken und darüber hinaus positive Auswirkungen im Hinblick auf europarechtliche Entwicklungen und allgemein auf den Sachverständigenbeweis haben.