Seiten: 201-216, Sprache: Englisch, DeutschReissmann, Daniel R. / John, Mike T. / Aigner, Annette / Schön, Gerhard / Sierwald, Ira / Schiffman, Eric L.Hintergrund: Ziel der Studie war es herauszufinden, ob eine Interaktion zwischen Wach- und Schlafbruxismus bezüglich des Zusammenhangs mit schmerzassoziierten kraniomandibulären Dysfunktionen (CMD) besteht.
Material und Methode: Alle Teilnehmer (N=705) dieser Fall-Kontroll-Studie waren Teil des multizentrischen Validation Project. Sie wurden als Gelegenheitsstichprobe bestehend aus Fällen und Kontrollen aus der Allgemeinbevölkerung und aus klinischen Fällen rekrutiert. Mithilfe von logistischen Regressionsanalysen wurde der Zusammenhang zwischen den Selbstangaben von Wach- und Schlafbruxismus und schmerzassoziierter CMD untersucht und Odds Ratios (OR) mit 95%-Konfidenzintervallen (KI) berechnet. Die Regressionsmodelle beinhalteten einen Interaktionsterm, um auf multiplikative Interaktion zu testen. Eine additive Interaktion wurde mithilfe des "Relative Excess Risk due to Interaction" (RERI) berechnet.
Ergebnisse: Nach statistischer Kontrolle für Alter und Geschlecht zeigten sich in der logistischen Regression signifikante Haupteffekte sowohl für Wach- (OR=6,7; 95%-KI: 3,4 - 12,9) als auch Schlafbruxismus (OR=5,1; 95%-KI: 3,1 - 8,3). Während die multiplikative Interaktion (OR=0,57; 95%-KI: 0,24 - 1,4) nicht signifikant war, zeigte sich eine statistisch signifikante positive additive Interaktion (RERI=8,6; 95%-KI: 1,0 - 19,7) auf der OR-Skala.
Schlussfolgerung: Die Studie zeigte, dass Wach- und Schlafbruxismus mit einem erhöhten Auftreten von schmerzassoziierten CMD zusammenhängen, und dass beide Formen von Bruxismus nicht unabhängig voneinander sind, sondern additiv interagieren. Folglich erhöht die Anwesenheit jedes Faktors den Effekt des anderen.
Schlagwörter: Kraniomandibuläre Dysfunktionen, Schmerz, Wachbruxismus, Schlafbruxismus, Interaktion
Seiten: 217-228, Sprache: Englisch, DeutschBracci, Alessandro / Lange, Matthias / Djukic, Goran / Guarda-Nardini, Luca / Manfredini, DanieleEntwicklungs- und Anwendungsmöglichkeiten einer Smartphone-AppHintergrund: Wachbruxismus (WB) ist ein Phänomen, das gewisse psychische Störungen widerspiegeln und verschiedene zahnmedizinische und medizinische Konsequenzen haben kann. Obwohl die Häufigkeit von WB-Aktivitäten bevorzugt nach der Methode des sogenannten ecological momentary assessment (EMA; unmittelbares Assessment in der natürlichen Umgebung) erfasst werden sollte, die zeitnahe Angaben zur untersuchten Aktivität (bspw. Kieferspannung, Zähnepressen, Knirschen) liefern kann, ist die Translation dieses Ansatzes aus der Forschung in die klinische Praxis bislang noch nicht unternommen worden.
Methoden: Die Smartphone-App-basierte EMA für Wachbruxismus verspricht eine sehr interessante Strategie für die Einführung dieses Assessment-Konzeptes in die Fachliteratur zu Bruxismus zu sein. Der vorliegende Artikel beschreibt eine neue App für das WB-EMA, die auch im Rahmen eines kognitiv-behavioralen Ansatzes für die WB-Behandlung verwendet werden kann.
Ergebnisse: Ein vorläufiger Einsatz der App in einer Stichprobe von jungen Erwachsenen ergab innerhalb eines Erfassungszeitraums von einer Woche eine Häufigkeit von 28 % für WB-Verhaltensweisen.
Schlussfolgerung: Der Einsatz der Smartphone-Technik bietet sowohl für die EMA-basierte Bruxismusforschung als auch für die Praxis diverse Vorteile und hilft, Werte für normale Häufigkeiten zu etablieren. Die gewonnenen Daten können mit denen von Populationen mit Risiko- bzw. assoziierten Faktoren und möglichen klinischen Folgen verglichen werden.
Schlagwörter: Wachbruxismus, ecological momentary assessment, Smartphone, Bruxismus
Seiten: 229-238, Sprache: Englisch, DeutschSteinbock, ChristophLogisch-semantische Betrachtungen eines zahnmedizinischen BegriffsDie zahnärztliche Funktionslehre ist seit nun fast 100 Jahren geprägt vom "Mythos der Zentrik". Zahlreiche Versuche, die "richtige" oder die ideale räumliche Zuordnung der Kiefer in statischer Okklusion zu definieren, wurden und werden unternommen, doch das Resultat solcher Versuche ist unbefriedigend. Was können die Gründe dafür sein? Eine logisch-semantische Analyse von drei einflussreichen Definitionen verdeutlicht, dass all diese Versuche scheitern müssen. Entweder kann das Referenzobjekt - die "Idealrelation" der Kiefer zueinander - nicht identifiziert werden oder die Definition steht im Widerspruch zu grundlegenden zahnärztlichen Auffassungen. Eine "ideale" Kieferrelation kann es nicht geben, sondern nur eine Menge mit vielen physiologisch gleichwertigen Kieferrelationen. Der Ausdruck "die Zentrik" ist daher aus dem zahnmedizinischen Diskurs zu verbannen.
Schlagwörter: Zentrik, centric relation, zentrische Kondylenposition, physiologische Zentrik, Extension, Referenzobjekt, Sprachanalyse
Seiten: 239-248, Sprache: Englisch, DeutschKravchenko-Oer, Alexandra / Koch, Mara / Nöh, Kristina / Ostermann, Charlott / Winkler, Luzie / Kordaß, Bernd / Hugger, Sybille / Schindler, Hans Jürgen / Hugger, AlfonsZiel der Studie war es, Auswirkungen okklusaler Veränderungen auf die Muskelaktivität des M. masseter und M. temporalis zu analysieren. Dazu wurden 41 funktionsgesunde vollbezahnte Probanden hinsichtlich der Muskelaktivität des M. masseter und des M. temporalis anterior mithilfe der Oberflächen-Elektromyographie beidseitig in zwei Messsitzungen untersucht. Tiefziehfolien mit einer Dicke von 0,4 bzw. 0,8 mm wurden auf verschiedene Zähne des Unterkiefers reversibel platziert, um unterschiedliche Aufbisssituationen (einseitig, beidseitig transversal und beidseitig diagonal) zu simulieren. Mittels visuellem Feedback wurden Aufbisskräfte in einer Höhe von 10 bzw. 35 % der maximalen voluntären Kontraktion (MVC) ausgeführt. Die Aktivitätsverhältnisse der Muskeln wurden mithilfe einer zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung analysiert und die Reliabilität der Muskelaktivitätsdaten über Intraclass-Korrelationskoeffizienten (ICC) bestimmt.
Die auf den Massetermuskel bezogenen Aktivitätsverhältnisse unterschieden sich nicht signifikant in den verschiedenen Aufbisssituationen. Dagegen zeigten die Temporalismuskeln signifikante Unterschiede (p 0,001) zwischen unilateralen Aufbisskonfigurationen und den anderen Aufbissbedingungen (bilateral transversal oder diagonal), insbesondere bei 10 % MVC. Allgemein ergab sich bei Betrachtung der ICC-Werte eine niedrige bis mäßige Reliabilität für die Muskelaktivitäten.
Unter kontrollierter submaximaler Aufbissintensität bleibt der M. masseter recht stabil in seinem Aktivitätsverhalten, wogegen der M. temporalis auf verschiedene Aufbissbedingungen unterschiedlich reagiert. Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass der M. temporalis als Feinsteuerungsmuskel agiert, wenn, wie beim Kauen, asymmetrische Aufbisssituationen vorliegen, bedingt durch einzelne Nahrungsfragmente zwischen den Zahnreihen.
Schlagwörter: Aktivitätsverhältnisse, Pressen, Elektromyografie, Kaumuskeln, okklusale Interferenzen, okklusale Modifikation, visuelles Feedback
Seiten: 249-257, Sprache: Englisch, DeutschRaff, AlexanderDie Weiterentwicklung der fachlichen Grundlagen der Funktionsdiagnostik betrifft auch die Einbindung und das Verweben dieses Bereiches der Zahnheilkunde mit Fragestellungen aus anderen medizinischen Fachgebieten, wie beispielsweise die Psychosomatik oder die Orthopädie. Es existieren mittlerweile zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, in denen Tests zur Aufdeckung eventuell vorliegender Kofaktoren bei Patienten mit kraniomandibulären Dysfunktionen entsprechende Zusammenhänge mit diesen medizinischen Fachbereichen nachweisen. Die im Gebührenverzeichnis der deutschen Gebührenordnung für Zahnärzte aufgeführten Leistungen sind 2012 bei der GOZ-Reform im Bereich der Funktionsdiagnostik gegenüber der Vorgängerversion von 1988 fast unverändert geblieben. Da andererseits Zahnärzte in Deutschland nach dem Zahnheilkundegesetz verpflichtet sind, die Zahnheilkunde nach aktuellem Stand der Wissenschaft auszuüben, wäre das allein mit den in dem mithin inhaltlich veralteten Gebührenverzeichnis der GOZ katalogisierten Leistungen nicht möglich. Der Gesetzgeber hat dafür in der neuen GOZ allerdings gezielt die Möglichkeit verankert, nicht im Leistungskatalog enthaltene selbstständige Leistungen entsprechend nach Art, Kosten- und Zeitaufwand sowie Schwierigkeit vergleichbarer Leistungen abzurechnen ("Analogleistungen"). Der vorliegende Beitrag schildert am Beispiel der Tests zur Aufdeckung psychischer Kofaktoren einer Funktionsstörung des kraniomandibulären Systems die rechtlichen und fachlichen Hintergründe sowie die Konsequenzen für die Umsetzung in der Praxis.
Schlagwörter: kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD), Tests zur Aufdeckung psychischer Kofaktoren, klinische Funktionsanalyse, Gebührenordnung, GOZ, Analogberechnung