Einleitung: Werner Ketterl zählt zu den erfolgreichsten zahnärztlichen Hochschullehrern der jüngeren Vergangenheit. Seit den 1960er-Jahren nahm er als Wissenschaftler und Fachpolitiker nachhaltig Einfluss auf die Entwicklung der universitären Zahnheilkunde. Zudem gehörte er zu den wenigen Protagonisten des Fachs, die sich in autobiografischen Erinnerungen mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzten. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der vorliegende Beitrag mit dem Leben und Wirken des Mainzer Ordinarius im „Dritten Reich“ und in der Bundesrepublik Deutschland.
Material und Methode: Wichtigste Grundlagen der Studie sind u. a. Primärquellen des Bundesarchivs Berlin und des Staatsarchivs München sowie die Autobiografie Ketterls aus dem Jahr 2000. Überdies erfolgte eine umfassende Analyse der Fachpublikationen von und über Ketterl.
Ergebnisse: Werner Ketterl war vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren – neben Adolf Kröncke und Rudolf Naujoks – der wohl einflussreichste Fachvertreter auf dem Gebiet der Zahnerhaltung. Er blieb in der Forschung eher klinisch orientiert und bildete einen stärkeren parodontologischen Schwerpunkt aus als die genannten Kollegen. Im „Dritten Reich“ zeigte er sich regimetreu. Er stellte bereits im Monat seines 18. Geburtstags den Antrag auf die Mitgliedschaft in der NSDAP und wurde drei Monate später aufgenommen.
Diskussion und Schlussfolgerung: Ketterl verstand die Zahnheilkunde als Einheit aus Wissenschaft und Fachpolitik. Mit diesem Ansatz prägte er die Entwicklung und öffentliche Wahrnehmung der Zahnmedizin wie kaum ein anderer Hochschullehrer seiner Zeit – sowohl am Universitätsstandort Mainz als auch im nationalen Maßstab. Sein politisches Bekenntnis zur NSDAP muss demgegenüber überraschen – v. a. angesichts der Tatsache, dass er die Parteimitgliedschaft in seinen Memoiren verschwieg und sich dort moralisch über die Anhänger und Ideologie des Nationalsozialismus erhob.
Keywords: Mainz, Nationalsozialismus, NSDAP, Parodontologie, Zahnerhaltung