WissenschaftDOI: 10.3238/dzz.2021.0026Seiten: 373, Sprache: DeutschRehder, Oliver / Noack, Michael J. / Zirkel, Christoph / Wicht, MichaelEinführung: Bias sind kognitive Verzerrungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Beurteilen. Sie entstehen meist durch Heuristiken, also mentale Abkürzungen, die die Entscheidungsfindung beschleunigen. In der Medizin kann man diverse Bias finden, die sowohl Patienten betreffen, z.B. bei der Abwägung von Behandlungsoptionen, als auch Ärzte, bei denen es zu Fehlern in Diagnostik und Therapie kommt.
Methode: Für die Zusammenstellung dieses Übersichtsartikels fand eine Sichtung der psychologischen und medizinischen Literatur zu der Thematik statt, um verschiedene Bias und ihre Relevanz für die zahnärztliche Praxis zu beschreiben.
Ergebnisse: Diverse kognitive Verzerrungen wurden gefunden, die Relevanz für Diagnose, Therapieentscheidung, Behandlung und Praxisführung haben: Das Framing eines Kommunikationsinhalts verändert die Wahrnehmung von Risiken und hat Einfluss auf Placebo- und Nocebo-Effekte. Der Status-quo-Bias zeigt, warum Patienten infolge von Verlustaversion Behandlungen nicht durchführen lassen, und die Affektheuristik, dass Menschen Entscheidungen tendenziell in Abhängigkeit von aktuellen Emotionen treffen, was nicht immer vorteilhaft ist. Der Confirmation-Bias und Attributionsfehler betrifft die Diagnostik, da bevorzugt Fakten, die die Erstdiagnose unterstützen, beachtet werden und bei Patienten mit herausfordernder Persönlichkeitsstruktur die Ursachen der Symptome gerne in eben dieser gesucht werden. Der Ankereffekt führt dazu, dass erstgenannte Informationen Diagnosen überproportional beeinflussen, und aus dem Overconfidence Bias resultiert eine verzerrte Selbstwahrnehmung, die unter Umständen zu Fehlern in Diagnostik und Therapie führt. Durch Priming kann die Wahrnehmung der Patienten in eine positive Richtung gebahnt werden. Die Höchststand-Ende-Regel besagt, dass in der Erinnerung an eine Behandlung der aversivste und der letzte Reiz relevant sind. Der Rückschau- und Ergebnisfehler zeigt die Tendenz, die Vergangenheit nach Eintreten von Ereignissen verzerrt in Erinnerung zu haben, was die Wichtigkeit solider Dokumentation zeigt. Die Wahrnehmung der Kompetenz des Zahnarztes hängt aufgrund des Halo-Effekts auch von äußeren Umständen und der Art der Kommunikation ab.
Diskussion und Schlussfolgerung: Kognitive Verzerrungen betreffen sowohl den Patienten als auch den Zahnarzt, wodurch Fehler in Diagnostik, Therapieentscheidung und Behandlung entstehen. Dem kann aufseiten des Zahnarztes durch De-Biasing-Strategien entgegengewirkt werden. Visuelle Darstellungen in Form von Kuchen- und Balkendiagrammen helfen vor allem dem mathematisch wenig kompetenten Patienten, Auswirkungen des Framings zu reduzieren. Bias können auch zum Vorteil des Patienten genutzt werden, indem dessen Wahrnehmung in eine positive Richtung gebahnt wird. Das Wissen um die diversen Bias kann dabei helfen, Patienten bessere Entscheidungen fällen zu lassen und eine psychologisch positivere Behandlung zu ermöglichen.
Schlagwörter: Bias, Diagnostik, Entscheidungsfindung, Behandlung, Heuristik, Praxisführung, Psychologie