OriginalarbeitSprache: DeutschDer Zahnmediziner Hermann Euler und der Pharmakologe Otto Riesser waren zu Beginn der NS-Zeit als weitgehend systemkonforme Ordinarien an der Universität Breslau tätig. Euler war "Arier", Riesser hingegen "Nichtarier". Am Beispiel des Werdegangs beider Hochschullehrer wird das Spannungsfeld zwischen Wegbereitung und Folgen nationalsozialistischer Politik beschrieben. Hermann Euler war als Dekan der Medizinischen Fakultät Breslau zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur federführend an den "Säuberungsaktionen" zur "Entjudung" der Universität beteiligt. Bereits bei der ersten "Säuberungswelle" bis zum Jahr 1934 sorgte er mit dafür, dass 15 von 20 jüdischen Hochschullehrern aus der Universität eliminiert wurden. Dies hielt ihn allerdings nicht davon ab, gleichzeitig unter konspirativen Bedingungen den Kontakt zu einer "Halbjüdin" aufrecht zu erhalten, die er nach dem Zweiten Weltkrieg heiratete. Otto Riesser war während der "Kampfzeit" vor 1933 trotz seiner jüdischen Herkunft Förderer nationalistischer Kreise. Der "politisch einwandfreie" Ordinarius stellte sich öffentlich vor radikal-nationalistische Studentenverbände und wurde in den Jahren 1931 und 1932 unter Mitwirkung des Nationalsozialisten Otto Schwab Begründer und Leiter der ersten allgemeinen Wehrorganisation der Breslauer Studentenschaft. Dennoch wurde er wegen seiner jüdischen Abstammung 1935 aus der Universität entlassen, kam aber unter anderem durch die Fürsprache Eulers in einem privaten Forschungsinstitut in Frankfurt am Main unter, bis er 1939 emigrierte. Obwohl er des Landes vertrieben wurde, seine Familie schwere Nachteile erlitt und seine jüdische Mutter nach der Deportation in einem Konzentrationslager 1944 zu Tode kam, blieb er seiner betont nationalistischen politischen Gesinnung im Grundsatz treu. Neue Fakten aus den widersprüchlichen Lebensläufen dieser beiden Persönlichkeiten werfen Fragen auf, die sich wohl nie mehr schlüssig beantworten lassen werden.