Zahnheilkunde allgemeinSprache: DeutschGreene, Charles S.Dieser Beitrag beginnt mit einer Übersicht über die geschichtliche Entwicklung der ätiologischen Konzepte zu temporomandibulären Dysfunktionen (TMD). Aus ihr geht nicht nur hervor, dass die alten mechanistischen ätiologischen Konzepte falsch sind, sondern auch, dass zwei der bekanntesten aktuellen Theorien (der biopsychosoziale und der multifaktorielle Ansatz) stark fehlerbehaftet sind. Deshalb treffen wir auf der Ebene des individuellen TMD-Patienten nahezu immer auf eine idiopathische Situation - wir wissen einfach nicht genügend oder können nicht genau genug messen bzw. bestimmen, warum bei einem Patienten TMD-Symptome vorhanden sind. Hinzu kommt, dass unsere Kenntnisse bezüglich der Faktoren, die dafür verantwortlich sind, warum eine Person Symptome aufweist und eine andere nicht, sehr beschränkt sind. Für eine semantische und intellektuelle Erörterung muss das "Warum" (Ätiologie) vom "Wie" (Pathophysiologie) unterschieden werden, damit all dies sowohl semantisch als auch intellektuell erörtert werden kann. Unsere gegenwärtige Unfähigkeit, bei TMD-Patienten die Ursachen für ihre Beschwerden genau zu bestimmen, hindert uns jedoch nicht daran, den meisten Betroffenen eine vernünftige (und oftmals erfolgreiche) Behandlung zu bieten. Viele gesundheitliche Probleme werden von Ärzten und Zahnärzten mit einem entweder unvollständigen oder fehlerhaften Verständnis der zugrunde liegenden Ätiologie behandelt. Die Verfügbarkeit von empirischen Daten über Therapieergebnisse erlaubt dennoch eine einigermaßen angemessene Behandlung. Glücklicherweise gibt es eine große Anzahl vergleichender Studien zur TMD-Therapie, die es uns erlauben, sowohl Initialtherapien auszuwählen als auch mit Behandlungsmisserfolgen umzugehen. Obwohl wir noch kein hundertprozentiges Verständnis der Ätiologie haben, können wir doch eine gute konservative Therapie anbieten. Aggressive und irreversible Behandlungen sollten insbesondere dann vermieden werden, wenn sie auf fehlerbehafteten Ätiologiekonzepten basieren. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion gegenwärtiger Aktivitäten der Grundlagenforschung im Bereich der TMD und orofazialer Schmerzen. Laufende Studien über die molekularen und zellulären Mechanismen von Gelenkerkrankungen, Muskelschmerzen und chronischen Schmerzen stellen die vielversprechendsten Wege für einen zukünftigem Fortschritt auf diesem Gebiet dar. Sie bilden die Grundlage zur Entwicklung zielgerichteter therapeutischer Gegenmaßnahmen.
Schlagwörter: Temporomandibuläre Dysfunktionen, orofaziale Schmerzen, Ätiologie, Pathophysiologie