OriginalarbeitDOI: 10.3238/dzz.2015.0033Sprache: DeutschGängler, P. / Retzlaff, T.Für den gesetzlich Krankenversicherten ist Amalgam zurzeit noch häufig die Regelversorgung, denn zahnärztliche Amalgame gelten als wissenschaftlich anerkannte Materialien zur Versorgung kariöser Defekte im Seitenzahnbereich. Gemäß der Behandlungsrichtlinie haben vertragszahnärztliche Leistungen die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Behandlung des Patienten sicherzustellen, wobei diese Versorgung nach dem anerkannten Stand der medizinischen Kenntnisse erbracht werden soll. Obwohl die Bundeszahnärztekammer den Gebrauch von Amalgam weiter als unbedenklich einstuft, ist die Bevölkerung durch zahlreiche Berichte und Diskussionen in den Medien über die angeblich schädliche Quecksilberfreisetzung aus Amalgamfüllungen verunsichert worden. Die Problematik des Amalgams wird zunehmend politisiert und oft in den Medien irreführend dargestellt. Die Reaktion vieler Menschen darauf ist die Ablehnung von Amalgamfüllungen oder der Wunsch nach deren Entfernung. Amalgam gilt heute als der am besten untersuchte Werkstoff in der restaurativen Zahnheilkunde. Aufgrund der langen klinischen Erfahrung mit diesem Füllungsmaterial ist es möglich, Aussagen hinsichtlich toxikologischer Gesichtspunkte mit hoher Sicherheit zu treffen. Bei den gesundheitlichen Auswirkungen ist insbesondere das Quecksilber, als toxikologisch bedenklichster Bestandteil, von Bedeutung. Es ist die primäre Quelle für die Belastung der Bevölkerung mit anorganischem Quecksilber. Die aufgenommene Quecksilbermenge ist allerdings toxikologisch unbedenklich [19, 22]. Die Hauptquelle für die Belastung mit den weitaus toxischeren organischen Quecksilberverbindungen ist die Nahrung. Überwiegend Methylquecksilber gelangt durch den Verzehr von Fischen in den menschlichen Organismus. Die von der Europäischen Kommission 2007 verfasste Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber stellt fest, dass das Einatmen von Quecksilberdampf aus zahnmedizinischen Amalgam die Hauptquelle der Quecksilberexposition in Industrieländern ist. Die Strategie verfolgt deshalb unter anderem das Ziel, durch Verringerung von Angebot und Nachfrage, den Eintritt von Quecksilber in die Gesellschaft zu verringern. Eine Einschränkung oder gar ein Verbot der Verwendung von Amalgam könnte die finanzielle Stabilität des Gesundheitssystems beeinträchtigen und Auswirkungen auf die Fähigkeit einzelner Patienten haben, für ihre Zahngesundheit aufzukommen. Neben den zwar wissenschaftlich unbelegten, in der Bevölkerung gleichwohl aber diskutierten gesundheitlichen Folgen sind es zudem die Umweltschädigungen durch Quecksilberrückstände bei der Entsorgung, die zu einem Umdenken in der Füllungstherapie führen. Seit einiger Zeit steht zudem ein Verarbeitungsverbot von Quecksilber durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Debatte, das sich vorwiegend auf die Vermeidung einer Exposition mit dem Metall sowohl bei der Be- und Verarbeitung als auch bei der Entsorgung konzentriert. Anfang Oktober 2013 wurde das internationale Minamata-Übereinkommen unterzeichnet, in dem die weltweite Reduktion der Quecksilberemission in die Umwelt geregelt ist. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) veranlasste im Februar 2009 die Erarbeitung dieser Konvention. Bei den Verhandlungen einigte man sich unter anderem auf eine "Phase down"-Strategie für zahnärztliches Amalgam, das bedeutet eine Reduktion der Verwendung von Amalgam ohne eine zeitliche Vorgabe. Anfang März 2014 hat der wissenschaftliche Beratungsausschuss für Gesundheits- und Umweltrisiken der Europäischen Kommission, das Scientific Committee on Health and Environmental Risks (SCHER), eine Stellungnahme zu den Gesundheits- und Umweltauswirkungen von Amalgam veröffentlicht. Man kam zu dem Ergebnis, dass die Gesundheits- und Umweltgefährdung durch das in zahnärztlichem Amalgam enthaltene Quecksilber vergleichsweise gering ist. Nur unter außergewöhnlichen Umständen, einem "Worst-Case-Szenario", d.h. im Falle einer hohen Zahnarztdichte, verbunden mit einem hohen Grad der Amalgamnutzung bei gleichzeitigem Fehlen von Amalgamabscheidern, könne auf lokaler Ebene Risiken für Gesundheit und Umwelt nicht ausgeschlossen werden. Dieses Szenario ist für Deutschland ausgeschlossen, da hier flächendeckend Amalgamabscheider für Zahnarztpraxen vorgeschrieben sind. Ziel dieser Untersuchung war die Darstellung der Haltbarkeit von initialen Amalgamfüllungen, d.h. von ausschließlich Erstversorgungen von Kariesläsionen mit Amalgam ohne jede andere vorherige Füllungstherapie, im Seitenzahnbereich, in einer allgemeinen Zahnarztpraxis im Rahmen eines Versorgungsforschungsprojektes. Des Weiteren wurden mögliche Optionen für die Nachfolgeversorgungen bei notwendiger Erneuerung von Amalgamfüllungen betrachtet, sowie dessen Versagensmechanismen. Im klinischen Teil dieser Studie erfolgte die Qualitätsbeurteilung der initialen Amalgamrestaurationen anhand der C-Kriterien des CPM-Index.
Schlagwörter: Amalgam, Funktionszeit, Versorgungsforschung, retrospektive Querschnittsstudie, CPM-Index