Die klinische Diagnose Gingivahyperplasie kann multiple Ursachen haben, bei denen erworbene von erblichen zu unterscheiden sind. Nur pathohistologisch zu unterscheiden sind dabei die echte Zellvermehrung von der Volumenvergrößerung der Zellen.
Mit unter 100 bekannten Fällen weltweit ist das Temple-Baraitser Syndrom, eine erbliche sehr seltene, autosomal dominante genetische Fehlfunktion. Charakteristisch sind eine geistige Retardierung, frühkindliche Hypotonie, Epilepsie, kleine oder nicht vorhandene Daumen- und Zehennägel, sowie bestimmte Gesichtszüge. Das Temple-Baraitser Syndrom ist bedingt durch Mutationen im KCNH1 Genom am chromosomalen Ort 1q32.2.
Eine 10-Jährige Patientin stellte sich in Begleitung ihrer Eltern vor. Humangenetisch war bei ihr das seltene Temple-Baraitser Syndrom nachgewiesen worden. Bei allen bisher bekannten Fällen des Syndroms wurde, wie bei dieser Patientin, von epileptischen Anfällen und autistischem Verhalten berichtet. Das Mädchen nahm daher auch täglich Ospolot (Antikonvulsivum) ein.
Die Patientin wies den typischen Phänotyp mit einem tiefen Haupthaaransatz, flacher Stirn, nach unten geneigten Lidspalten, breiter, eingedrückter Nasenbrücke mit nach anterior gerichteten Nasenlöchern, kurzem Nasensteg, langem Philtrum und hohem Gaumen auf. Auch die in später Kindheit typische Gingivahyperplasie war bei dieser Patientin eindrücklich feststellbar.
Es lag ein Milchzahngebiss mit schlechter Hygienefähigkeit aufgrund eingeschränkter Compliance und der ausgeprägten Gingivahyperplasie vor. Die bleibende Dentition war -soweit radiologisch beurteilbar- angelegt. Die Gingivahyperplasie ist im Fall dieser Patientin höchstwahrscheinlich Syndrom- und Antikonvulsiva-assoziiert. Die Therapie einer Gingivahyperplasie ist ursachenabhängig und besteht in der Regel in der Herstellung einer möglichst guten Hygienefähigkeit des Gebisses und in Einzelfällen in einer Abtragung des überschüssigen Gewebes. Die Familie wurde daher angehalten die Mundhygiene zu verbessern. Es wird der weitere Zahndurchbruch abgewartet und dieser bei Bedarf kieferorthopädisch unterstützt.
Ein gänzliches Absetzen der Medikamente ist häufig, wie die Antikonvulsiva in diesem Fall, nicht möglich.
Schlagwörter: Temple-Baraitser Syndrom, Gingivahyperplasie, Antikonvulsiva