Einleitung und allgemeine Fallbeschreibung: Der Fallbericht soll die Herausforderungen beschreiben, die bei der zahnmedizinischen Betreuung eines Patienten mit Morbus Wilson (MW) auftreten können. Diese Erkrankung kann bei fehlender oder insuffizienter medizinischer Therapie zu neurologischen und hepatischen Ausfällen führen.
Anamnese und Befund: Ein 51-jähriger Mann mit MW stellte sich erstmals im Januar 2018 in der Abteilung für Behindertenorientierte Zahnmedizin (BOZ) der Universität Witten/Herdecke mit der Bitte um Therapie vor. Bei dem Patienten fehlten sechs Zähne. Weitere elf Zähne wiesen kariöse Defekte auf. Da bei dem Patienten neben der Spastik im Armbereich und der Dysphasie ein starker Tremor des Kopfes vorlag, hatte der Hauszahnarzt den Patienten zur konservierenden und prothetischen Therapie in Allgemeinanästhesie (AA) an einen MKG-Chirurgen überwiesen. Da dieser jedoch nur oral- oder MKG-chirurgische Therapien in AA durchführte, überwies er den Patienten weiter in die Abteilung der Autoren.
Therapie: Der Patient und die Behandler der BOZ einigten sich darauf, die Therapien kleinschrittig im Wachzustand durchzuführen. Eine dritte Person sollte dabei den Kopf des Patienten stabilisieren. So konnte der Behandlungsumfang pro Sitzung sukzessive gesteigert werden, und es war möglich, alle Therapien (zehn direkte Restaurationen, zwei Wurzelkanalfüllungen, drei Extraktionen sowie eine Brücke und eine Krone) im Wachzustand durchzuführen. Begleitend wurden engmaschig Zahnreinigungen und Mundgesundheitsaufklärungen durchgeführt. Zur Überwindung der sprachlichen Barriere trug die Ehefrau des Patienten bei, indem sie die undeutliche Sprache „übersetzte“. Für diese Therapiemaßnahmen wurden im Zeitraum von März 2018 bis Mai 2021 31 Sitzungen benötigt.
Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit MW mit ausgeprägtem Tremor ist eine zahnmedizinische Therapie in Allgemeinanästhesie nicht zwingend erforderlich. Bei Vorliegen einer Dysphasie ist die Anwesenheit einer Person, die als Dolmetscher fungieren kann, zur Überwindung der Kommunikationsbarriere sehr hilfreich. Wenn aufgrund einer Spastik die Fähigkeit zur Mundpflege reduziert ist, muss ein engmaschiger präventiver Recall durchgeführt werden.
Schlagwörter: Behindertenorientierte Zahnmedizin, Behinderung, Morbus Wilson, zahnmedizinische Therapie