Einleitung: Gerhardt Steinhardt war bis zum Jahr 2023 der einzige Hochschullehrer, der sowohl der DGZMK als auch der DGMKG vorstand. Zugleich ist er der einzige DGZMK-Präsident, der sich im „Dritten Reich“ in der SS engagierte. Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich mit Steinhardts Leben und Werk und klärt die Frage, wie es diese scheinbar disparaten Befunde zusammenpassen.
Material und Methode: Zentrale Grundlage der Studie sind Primärquellen des Landesarchivs Schleswig-Holstein und diverse Aktenbestände des Bundesarchivs Berlin. Zudem erfolgte eine kritische Reanalyse der Sekundärliteratur von und über Steinhardt unter besonderer Berücksichtigung einer 2004 publizierten Dissertation über das Leben und Werk Gerhard Steinhardts.
Ergebnisse: Steinhardt zählte – v. a. mit seinen Beiträgen zur Physiologie und Pathologie des Kiefergelenks und seiner klinischen Expertise als MKG-Chirurg – zu den führenden Professoren der Bundesrepublik. Zudem galt er als durchsetzungsstarker Fachpolitiker. Im „Dritten Reich“ schloss er sich der NSDAP, der SS und weiteren NS-Organisationen an, trat gemäß der NS-Ideologie aus der Kirche aus und nahm diverse politische Aufgaben wahr. Nach 1945 wurde er aus politischen Gründen entlassen, konnte jedoch in den 1950er Jahren an die Universität zurückkehren.
Diskussion und Schlussfolgerung: Steinhardt war sowohl in der NS-Zeit als auch in der Bundesrepublik außergewöhnlich gut vernetzt. Zudem beeindruckte er durch eine breite Ausbildung und fachliche Vielseitigkeit. Politisch zeigte er sich in beiden Systemen stark angepasst. Im „Dritten Reich“ trat er als überzeugter Nationalsozialist auf und nutzte seine Kontakte für die eigene Karrierebildung. Nach 1945 versuchte er demgegenüber durch eine Reihe von gezielten Falschaussagen, eine Distanz zur NS-Ideologie zu konstruieren. Schließlich gelang es ihm, seine Hochschulkarriere erheblich auszubauen. Zudem gelangte er zu hohen persönlichen Ehren.
Schlagwörter: Kieferchirurgie, Kiefergelenk, Nationalsozialismus, Schutzstaffel (SS), Würzburg